Ich wollt', ich wär' kein Huhn ... von Hennen, Eiern und Knochenbrüchen

Foto / Credit: Jo-Anne McArthur / Animal Equality / We Animals Media

Ich wollt', ich wär' ein Huhn, Ich hätt' nicht viel zu tun, Ich legte täglich nur ein Ei und sonntags auch mal zwei

Über die Herkunft des Eies in unserem Kühlschrank, bzw. über die Haltung der Legehenne, informiert ein Stempel auf der Eierschale: 3 steht für Käfighaltung, 2 für Bodenhaltung, 1 für Freiland- und 0 für Biohaltung. Wie es mit dem allgemeinen Wohlergehen und der Gesundheit des Muttertiers aussieht, ist bei der Kennzeichnung jedoch kein Kriterium. Vorgaben dazu gibt es nicht.

Wohl jeder kennt die obenstehende Strophe eines berühmten Schlagers. Doch was hat die entspannte Vorstellung „Ich legte täglich nur ein Ei“ tatsächlich mit einem glücklichen Hühnerleben und einem wie nebensächlich entstehenden Naturprodukt zu tun?

Warum legen Hühner Eier?

Hühner sind Vögel und unter natürlichen Bedingungen errichten Wildvögel in der freien Natur je nach Art, Rasse und Lebensraum ein- bis zweimal im Jahr ein Gelege mit Eiern, um diese auszubrüten und den Nachwuchs aufzuziehen. Dabei geht es um Fortpflanzung und es werden nur so viele Eier gelegt, wie die Henne brüten kann. Im Schnitt sind dies 8 bis 10 Stück. Der Vorfahr unseres Haushuhns, das Bankiva-Huhn, stellt da keine Ausnahme dar.
Die Eibildung erfolgt nach dem Eisprung, welcher dem eines Säugetieres, also auch dem des Menschen, gleichzusetzen ist. Während die unbefruchteten Eier der menschlichen Frau alle vier Wochen mit ihrer Menstruation ausgeschieden werden, legen Hühner und andere Vogelarten auch die unbefruchteten Eier in Nestern oder anderenorts ab.
Das Eierlegen gehört zum natürlichen Zyklus eines jeden weiblichen Vogels, auch ohne vorherige Befruchtung durch einen Hahn. Dieser ist sozusagen nur für die Erzeugung von Küken zuständig, nicht aber für die von Eiern. Trotzdem geht die hormonelle Belastung für die Henne immer mit einer immensen körperlichen Anstrengung einher.

Wie viele Eier legt ein Huhn?

Alle Vögel, auch die ursprünglichen Hühner-Rassen, legen nur so viele Eier, wie sie zur Fortpflanzung benötigen und dies nur so oft, wie es klimatische, nahrungsbedingte und sonstige Umstände hinsichtlich dem Gedeihen des Nachwuchses zulassen.
Bei den Vorgängern des Haushuhns sind dies etwa 20 Eier im Jahr, bei wenigen anderen Wildhuhn-Rassen können es doppelt so viele sein. Daß Hühner mehrere Eier an einem Tag legen, zum Beispiel „sonntags auch mal zwei“, das ist übrigens falsch.

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Sogenannte Haushühner sind besondere Züchtungen, welche unter dem Aspekt der Legeleistung aus Kreuzungen verschiedener Wildhuhn-Rassen als reine Nutztiere hervorgegangen sind. Auf die zweite Zuchtrichtung, die der Masthühner für die Fleischproduktion, soll hier nicht eingegangen werden.
Zahlreiche Rassehühner bringen es so inzwischen auf sage und schreibe 200 oder mehr Eier im Jahr, wobei es aber auch solche gibt, deren Legevolumen deutlich darunterliegt. Bei Asil-Hühnern zum Beispiel, muss sich der Züchter mit etwa 60 und bei Sultan-Hühnern mit 70 Eiern im Jahr begnügen.
Ganz gleich, ob ein Huhn nun wenige Eier pro Jahr hergibt oder eher viele, sie werden nicht in regelmäßigen Abständen gelegt, sondern in Serien. Je nach Rasse, Brutlust, Umgebung und anderen Faktoren können diese unterschiedlich lange auseinanderliegen.

Das ist natürlich nichts für die kommerziell motivierte Eier-Produktion. Dort soll alles möglichst kalkulierbar und in großen Mengen verfügbar sein, am besten unter geringstem finanziellen Aufwand. Viele Hühner kosten in der Anschaffung viel, zugleich viel Platz, viel Futter und viel Zubehör. So wäre es doch effektiver, die Leistungsfähigkeit von weniger Hennen um ein Vielfaches zu steigern. Und um dieses Ziel zu erreichen, sollte es an Ideenreichtum von Anbeginn nicht mangeln.

Eingriff durch Menschenhand

Was der industrielle Großerzeuger an Hennen überhaupt nicht mag, ist natürliches Legeverhalten. Dazu gehören neben der nur zyklisch erfolgenden Eiablage auch die mehrwöchige Brutzeit, die Aufzucht der Küken und die anschließende Regenerationsphase der Henne, eine also insgesamt sehr lange Legepause.
Die Brutlust der Hühner zu unterbinden ist dabei wohl die leichteste Aufgabe, da in der modernen Massentierhaltung keine ihrer natürlichen Voraussetzungen gegeben ist. Das nur periodische Legen zu beeinflussen, stellt hingegen eine andere Herausforderung dar.

Schon früh erkannte der Mensch, daß die Henne nach einer bestimmten Anzahl von Eiern auf Bruttrieb umschaltet und die Eiablage damit endet. Werden dem Tier die Eier nun aber regelmäßig genommen, legt es weiter, heraus aus dem Bedürfnis, das Nest vollständig zu füllen. Solange dieser Legetrieb Überhand behält, bleibt der Bruttrieb unterdrückt. Auch bei einer plötzlichen Zerstörung des fertigen Geleges fangen viele Vogelarten sofort an, Ersatz für ihren Verlust zu legen.
Aus der gezielten Zucht, der sich bei dieser Methode als besonders legestark erwiesenen Hennen, ist das heutige Haushuhn hervorgegangen.

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Zwar aufwändiger als dieser einfache Trick, doch umso effektiver, ist der Eingriff in den biologischen Zyklus der Hennen. Da die Küken beispielsweise im Winter in der freien Natur nicht überleben würden, hören Hühner in dieser Zeit instinktiv auf, Eier zu legen. Derart begründete Legepausen lassen sich jedoch beeinflussen, beispielsweise, indem man ihnen falsche Tages- und Jahreszeiten vorgegaukelt. In diesem Fall werden die Tiere ausnahmslos im Stall gehalten und dort einem konkreten Lichtprogramm ausgesetzt. Je nach Stallbereich sind Beleuchtungslänge und Intensität des Lichts derart gesteuert, daß ihr Legeverhalten verändert wird. Weiter gefördert werden kann eine so manipulierte Eierproduktion mittels Regulierung der Raumtemperatur, angepasster Fütterungsmethoden und kleiner chemischer Helferlein.

Doch hat jede Henne die Anlage für eine bestimmte maximale Anzahl an Dottern. Wie viele das jährlich sind, hängt von der Rasse ab. Die Einflussnahme auf das Legeverhalten steuert zwar den Rhythmus der Eiproduktion, ändert aber nicht viel an der Gesamtzahl der Eier, die das Huhn in einer Legeperiode, also in einem Jahr, abgibt. Das bedeutet, daß durch solches Eingreifen in kürzester Zeit alles aus dem Tier herausgepresst wird, was überhaupt drin ist.

Die Manipulationsverfahren begleitend wird die Hühnerzucht natürlich ständig weiter optimiert. Mit immer neuen Verpaarungen wird versucht, den wirtschaftlichen Nutzen der Tiere auf’s Höchste zu steigern. Und das effektivstes Ergebnis all dieser Zuchtversuche ist und bleibt bisher das sogenannte Hybridhuhn.

Hybrid – Wollt' ich wirklich, ich wär' ein Huhn?

Spitzentiere in der Hühnerindustrie können an die 320 Eier pro Jahr legen. Diese Hennen sind allerdings stark überzüchtet. Bruttrieb ist in der Regel keiner mehr vorhanden und weiterzüchten kann man mit ihnen nicht, sie müssen beim industriellen Zuchtbetrieb nachgekauft werden, denn sie sind Hybriden: komplizierte Kreuzungen verschiedener, ihrerseits bereits optimierter Hühnerrassen, deren Erbgut nicht unbedingt miteinander harmoniert, da es sich um spezielle Inzuchtlinien handelt.
Um den Legetrieb aufrecht zu erhalten, ist es heute nicht mehr nötig, den Hennen die Eier wegzunehmen. Es ist ein Legezwang, der ihnen angezüchtet wurde und sie können gar nicht mehr anders.

Ein fast täglicher Eisprung und die ständige Eiablage zehren ihre Körper aus und sorgen für Erkrankungen sowie für eine vorzeitige Alterung des gesamten Organismus. Kein Wunder, wenn man sich vor Augen führt, was für eine Leistung es ist, ein Ei zu bilden:
Bei einem Körpergewicht von 1 bis 1,5 kg macht ein Ei der Größe L mit 70 g etwa 6 % des Gewichts der Henne aus. Übertragen auf einen 70 kg schweren Menschen würde das bedeuten, daß dieser fast täglich ein 4,2 kg schweres Etwas aus dem eigenen Leib heraus produzieren und ausscheiden müßte. (Vergleichsbeispiel der Tierrechtsorganisation PeTA)

Foto / Credit: www.peta.de, Schockierende Einblicke in die deutsche Eierindustrie

So erstaunt es wenig, daß 10% der Hennen bereits in ihrem ersten Lebensjahr verenden, zumeist infolge von Erkrankungen der eibildenden Organe, wie der Eileiterentzündung.
Bei den übrigen Tieren führt das anfängliche Hochleistungslegen nach etwa einem Jahr zu einer drastischen Abnahme, bis es nach spätestens 2 Jahren ganz vorbei ist und der Ertrag schon vorher nicht einmal mehr die Futterkosten deckt. In den Intensivbetrieben kommen die Tiere daher mit nur 12 bis 20 Monaten in die Schlachtung und werden durch neue Junghennen ersetzt.
Bedenkt man, daß sie erst ab einem Alter von 5 bis 5 ½ Monaten beginnen, Eier zu legen, ist das eine äußerst kurze Zeit. Dabei könnte ein glückliches und gesundes Huhn gut 10 bis 12 Jahre alt werden, wenn es die Chance dazu hätte.

Rassehühner legen mit ihren durchschnittlich nur 180 Eiern immerhin drei bis vier Jahre lang. Doch auch bei Ihnen sind wir schon mitten in der Qualzucht – vergleicht man sie mit Wildhühnern, die ein ganzes Leben lang legefähig sind. Zuchthennen müssen in nur einem Jahr mehr leisten, als es ein Wildhuhn in seinem ganzen Leben tut.

Knochenbrüche: Eine Gemeinsamkeit von Käfig- und Bio-Hühnern

Das Ausmergeln ihrer Körper bis zur todbringenden Erschöpfung als Ergebnis der Fließbandarbeit, die die Legehennen leisten müssen, hat zwei Facetten. Organische Erkrankungen und Verschleiß sind das eine, das andere sind an der Tagesordnung stehende Knochenbrüche.
In einer Ende 2021 veröffentlichten Studie dänischer Forscher waren davon 85% der untersuchten Hühner betroffen, in einer schweizer Studie von Anfang 2020 waren es sogar 97%.

Vorrangig geht es dabei um das Brustbein der Tiere. Es ist der größte Knochen der Hühner und hält das Skelett zusammen. Somit kann ein Bruch verheerende Folgen mit sich bringen, besonders, wenn es sich um Mehrfachbrüche handelt. Bei den Hennen in der schweizer Untersuchung war das Brustbein durchschnittlich dreimal und bei einzelnen Tieren sogar bis zu elf Mal gebrochen.

Foto / Credit: www.peta.de, Knochenbrüche und Federpicken: Tierleid in der Eierindustrie

Dazu muß man wissen, daß Vögel gegenüber Säugetieren ein grundsätzlich anderes Knochensystem haben. Sogenannte pneumatische Knochen sorgen für eine Gewichtseinsparung beim Fliegen. Gleichzeitig verfügen sie über eine Knochenstruktur, welche die Ein- und Auslagerung von Calcium für die Eischalenbildung ermöglicht. Irgendwann aber, beziehungsweise unter gewissen Bedingungen, sinkt ihr Vermögen Calcium einzulagern. In der freien Natur geschieht dies mit dem Alter, im kommerziellen Hochleistungsbetrieb aufgrund der unnatürlichen Überstrapazierung. Der Henne sind keine Regenerierungspausen mehr gegönnt, sie legt am laufenden Meter. Die Folge ist, daß das benötigte Calcium dann aus anderen Knochenstrukturen resorbiert wird und diese somit brüchig werden.
Sind die Knochen erstmal fragil, werden auch einfachste Kollisionen zum Problem. Teilweise reicht dann schon ein Sturz von der Stange, dichtes Gedränge im überfüllten Stall oder ein kräftiger Flügelschlag, damit es zu Brüchen kommt.
Was das Brustbein betrifft, tut das übermäßige Legen von Eiern sein Übriges, wenn diese von Innen auf den unten am Bauch liegenden Knochen drücken - und das fast täglich, immer wieder.
Eine Verhinderung all dieser Schäden durch die Gabe von speziellem Kraft- und Mineralfutter schafft dabei kaum Abhilfe.

Ergebnis der dänischen Studie ist zugleich, daß auch die Größe der Eier eine wesentliche Rolle spielt. Je größer die Eier und je kleiner die Henne, desto stärker sind die Brüche.
Insgesamt werden die Hennen so gezüchtet, daß sie möglichst klein sind und wenig Platz benötigen, andererseits sollen sie nicht nur mehr, sondern immer größere Eier legen, was eine zusätzliche Belastung darstellt und ihre Körper zusätzlich überbelastet.
Bei jungen Hennen, deren Körper noch nicht voll entwickelt sind, deren Brustbein noch weich, also noch nicht verknöchert ist, führt das Legen der großen Eier zu Knochendeformationen. Dies geschieht übrigens auch beim Verheilen der meisten Brüche.

Da weltweit fast ausschließlich die gleichen Hybridlinien im Einsatz sind, lassen sich die Studienergebnisse wohl global übertragen – auch auf Freiland- und Biohühner.

Ich legte also „nur“ ein Ei?

Es sind sicher nicht sehr viele Konsumenten, die über dieses Hintergrundwissen verfügen. Über die Kenntnis von der Ausbeutung dieser Tiere, von ihren Schmerzen, ihrem Elend und ihrer Vernichtung – einer legalisierten Tierquälerei, bloß der Eier wegen.
Es gab Zeiten, in denen das Ei ein wertgeschätztes Lebensmittel war und nicht wie heute, ein industriell gefertigtes Massenprodukt ebenso industrialisierter Hühner. Frühstücksei, Spiegelei und Omelette sind es nicht unbedingt, die unseren Bedarf so immens in die Höhe getrieben haben. Vielmehr ist es unser täglicher Konsum von Teig- und Backwaren und Leckereien wie Speiseeis, Puddings, Fertig-Soßen und dergleichen mehr.

Foto / Credit: Lukas Vincour Credit: Lukas Vincour / Zvířata Nejíme / We Animals

War das Ei schon in alten Kulturen Symbol für Fruchtbarkeit, neues Leben und die Auferstehung, so müßte es heute eigentlich das Gegenteil verkörpern. Ob das so ist und gegebenenfalls so bleibt, liegt in unserer Verantwortung.

Autorin: Ricarda Pauli (I - 39010 Gargazon)


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